Only 50 cassette copies were originally distributed when Maike
Zazie's second album FRAGMENTE was first released on
Russian cassette label Floe Tapes in 2015.
Now FRAGMENTE is revealed as one of the best hidden
secrets of recent years. Fascinating, sophisticated, original
and dreamy, the album is the first stage in a collaboration
between Berliner Maike Zazie and 7K!, the label created
as part of !K7, that is focused around avantgarde music
and modern composition.FRAGMENTE is epic, sometimes
whispered, sometimes obscure but incredibly sweet and charming –
in part down to the exclusive use of the German language.
Album presentation by Nabil
Atassi from Pop-Talk [in German] //
Ursprünglich
nur im Kassettenformat hergestellt, ist FRAGMENTE nun
auch in allen digitalen Plattformen ein kleines Juwel zwischen
Piano, Literatur und Kunst.
Eine Art akustische Literatur
Musik und Sprache finden zueinander. Auf eine neue Weise. Auf FRAGMENTE
fügt Pianistin und Komponistin Maike Zazie ihre beiden
Leidenschaften zusammen. Auf den sieben Stücken von FRAGMENTE
vertont sie auf unkonventionelle Weise von ihr selbst
verfasste, unvollendete Briefe und Textfragmente. Kein Zufall,
denn Maike Zazie ist auch studierte Literaturwissenschaftlerin
und mit allen Genres des Schreibens und (Re-) Zitierens wohl
vertraut. Mit dem Album FRAGMENTE schafft sie eine Art
akustischer Literatur: Komponierter Sound und gesprochenes Wort
werden auf eine Ebene verdichtet. Ihre Musik komponiert Maike
auf ähnliche Weise, wie sie auch eigene poetische Werke und
Geschichten zu Papier bringt: Sie gibt ihr eine Metrik mit
komplex geschichteten Phrasen und Loops, mit aufmerksam
platzierten Takten und Noten - gesetzt wie Worte und Verse.
„Musik ist als Text zu verstehen, im Prinzip kann man den Text
in ihr hören. Text kann sowohl reine Erzählung sein, als auch
Klang“. Für Maike Zazie Matern ist Klang „eine Sprache, mit
deren Hilfe sich Geschichten erzählen lassen“. FRAGMENTE
ist genau das: Ein Hörbuch in zwei Ebenen - Text und Klang.
Die Musik: Wird zur Erzählung
Unüberhörbar schwingt schon auf dem noch rein instrumentellen
Opener „Für T“ eine tiefe Melancholie mit. Die Kompositionen auf
FRAGMENTE sind lyrisch verklärte, fragile und zarte
harmonische Einheiten. Jede Einheit scheint eine kleine
Geschichte zu erzählen, eine Erinnerung festzuhalten oder einen
Gedankengang zu verfolgen. Sie stehen wie kleine Tagträume im
Gegensatz zum hektischen Puls der großen Stadt. Das zieht sich
wie ein roter Faden durch Maike Zazie Materns bisheriges Werk.
Ihr Debütalbum von 2010 Regen:tropfen beinhaltet neben
dem allgegenwärtigen Klavier auch Stimme, Cello, Glockenspiel
und zahlreiche Geräusche u.a. aus Field Recordings. Dazu im
Gegensatz steht auf FRAGMENTE die Musik einzig dem
gesprochenen, gelesenen und rezitierten gegenüber. Die Musik
wird zur Erzählung oder zu einem Essay verdichtet. Sie hört sich
dabei wie ein experimentelles Hörspiel. Auf FRAGMENTE
liest Maike Zazie Ihre sehr persönlichen Texte in einer fast
improvisatorischen Manier auf die Musik. Die wiederum verläuft
in kleinen harmonischen Einheiten und Versatzstücken wie auf dem
elegischen Mädchen von einem anderen Stern über das
ganze Stück hinweg als wiederkehrendes Motiv. Aber nicht immer
und nicht fortwährend: Auf Jeden Tag variiert sie auch
in Phrasierung, Tempo, Lautstärke und Harmonie. Mal klingt sie
fort, mal legt sie sich leise wie ein Teppich unter das gelesene
Wort oder sie verhallt. Immer wieder kleine musikalische Akzente
- mal zu erahnen, häufig aber auch ganz überraschend. „Musik zu
komponieren ist für mich meistens ganz ähnlich wie einen Text zu
schreiben, oft wird die Musik auch zunächst in Noten aufgesetzt.
Noten entsprechen dann den geschriebenen Worten und Buchstaben.“
So verträumt und verspielt die Musik auch klingen mag, in ihr
wohnt eine fortwährende Melancholie. Für Maike Zazie ein Spiegel
der Zeit, in der sie die Musik komponiert hat: „Die Musik
entsteht meist in extremen Momenten. Als ich Fragmente
geschrieben und aufgenommen habe, war ich sehr traurig. Das bin
ich heute nicht.“
Die Texte: Versatzstücke aus einer komplexen Zeit FRAGMENTE hat Maike Zazie bereits 2015 aufgenommen. Für
sie persönlich in einer Phase der Trauer und Verarbeitung. Die
Briefe darin wurden von ihr selbst verfasst und richten sich an
eine ganz bestimmte Person. Sie wurden nie abgeschickt. Ganz
klar: Es geht um enttäuschte Liebe. „Das sind sehr persönliche
Arbeiten, irgendwie fast zu persönlich um sie zu
veröffentlichen.“, gesteht Maike Zazie, „aber aus der heutigen
Sicht, mit etwas Distanz, tut es mir sehr gut. Ich hatte das
Bedürfnis dem Mann von damals noch sehr viel zu sagen. Aber wir
konnten nicht mehr miteinander sprechen. So sind diese
'Fragmente' entstanden, nie aufgeschriebene Worte an jemanden,
den ich mal sehr lieb hatte.“
Der Verarbeitungsprozess von Eindrücken und äußeren Einflüssen
durch das Schreiben gehört schon lange dazu bei Maike Zazie:
„Ich schreibe seit ich schreiben kann Texte, als Kind waren das
noch Märchen und Kurzgeschichten, in meiner Jugend kamen dann
die Gedichte. Ich habe eigentlich meine ganzen Gefühle damals in
Text verarbeitet, Worte und Bilder gesucht. Diese Form zu
schreiben ist jetzt die Basis meiner Liedtexte.“
Die Briefe und Wortcollagen auf FRAGMENTE, an den
Empfänger verfasst und meist in der zweiten Person singular
gelesen, sind direkt und ungeschönt vorgetragen. Auf dieser sehr
persönlichen Ebene findet Maike Zazie ihre Inspirationen: Es
sind Begegnungen, Erlebnisse, Beobachtungen oder Gespräche mit
Menschen, die sie beeinflussen. „Der kreative Prozess hängt bei
mir schon eher unmittelbar mit mir selbst zusammen, politische
und öffentliche Verhältnisse sind für mich schwer musikalisch zu
verarbeiten.“ Dabei wird es für Maike immer dann schwierig, wenn
es ihr gut geht. „Ja, das ist tatsächlich ein Problem. Es klingt
lustig, aber: Wenn es mir zu gut geht, fällt es mir schwer zu
arbeiten.“
In solchen Momenten kommen die Inspirationen aus Maikes
Lebensumfeld, aus dem pulsierenden Leben Berlins: „Die Stadt war
sehr wichtig für mich, weil mir davor eher ein kreatives Umfeld
gefehlt hat. Ich war immer ein kreativer Mensch, wurde da als
Kind von meinen Eltern gefördert, komme aber aus einer
Kleinstadt und in der Schulzeit war ich da sehr allein mit
meinem Bedürfnis nach kreativem Ausdruck.“
Mit FRAGMENTE ist Maike Zazie ein eigenständiges,
musikalisch hoch interessantes Werk gelungen, eine neue
Herangehensweise an Komposition und Literatur.
Text:
Nabil Atassi
1
für
t.
2
mädchen
vom anderen stern
3
jeden tag
denk
ich an dich. vermiss ich dich. - fehlen mir so viele
worte.
4
schweigen
& tanzen
5
was dennoch fehlt
6
komm
enttäusch
mich bitte
7
von drei katzen und der eule
für
t.Der Opener des Album ist eine spontane
Improvisation, die praktisch analog am Piano entstand. Eine
kleine, intime rein klangliche Ansprache an den Herrn T. Ein
„Selbstgespräch mit einem bloß imaginären Gegenüber“. Hörbar
ist nur Maike Zazie melodische Stimme in der Melodie des
Klaviers. Der „Gesang“ als instrumentale Improvisation und
Momentaufnahme.
mädchen vom anderen stern Anfangs ist Maike
Zazie noch der vermeintlich allwissende Erzähler mit
Perspektive auf den Mann in der Geschichte, ihr Gegenüber. Zu
Beginn eine Art imaginäre Geschichte. Die dann wechselt zur
Ich-Perspektive und Du-Ansprache. Wechselhaft verträumt,
sinnend, zärtlich und dann doch wütend, als in einem Moment
Fragen herausbrechen, auch anschuldigend, dann wieder traurig.
Maike Zazie über das Stück: „Die Länge des Stückes von fast
neun Minuten umfasst all die Ambivalenzen der Trauer über die
Trennung.“
jeden tag. Die Zeit spielt auch hier eine
deutliche Rolle. Das Klavier gibt den regelmäßigen langsamen
Rhythmus vor, fortschreitende Zeit. Die plötzlich schneller
wird, einem Zeitraffer gleich, später noch einmal stärker
gerafft: Als Zusammenfassung: „jeden tag. denk ich an dich.
vermiss ich dich. fehlen mir soviel Worte. “ - diesen Text
gibt nur das Booklet an, die Sängerin bleibt sprachlos, den
Höhepunkt an Sprachlosigkeit im Trauerprozess erreichend.
schweigen. In die Sprachlosigkeit mündet das
Schweigen, jedoch sehr melancholisch verträumt. Die Musik hier
beschreibt Bilder, hier gibt es (wie auch schon beim opener
„für T“) keine melodische Gesangsstimme und keinen Erzähler.
Das Klavier übernimmt hier vielmehr den Part eines Malers, der
ein sehr komplexes detailliertes Bild voller Erinnerungen
malt. „schweigen“ ist eine Klangcollage aus zahlreichen
übereinander gelegten Klavierspuren.
was dennoch fehlt. Eine sehr intime Aufzählung
von Details, die gemeinsam geteilt wurden. Erinnerungen. Am
Schluss noch die Trauer über all das, was zwar geplant war,
aber dann nie mehr stattfand. „Was dennoch fehlt“ ist eine
leise Klangcollage, einzelne Töne mit einzelnen Bildern der
Erinnerung. Es lässt den Hörer*innen viel Raum für Bilder.
komm. Ein Beziehungsanalyse, die noch die
Hoffnung ausgedrückt, dass sie wieder zueinander finden
könnten. Dieses Stück kommt, gemeinsam mit „was dennoch fehlt“
wohl einem Brieffragment aus der damals aktuellen Situation am
nächsten.
von drei katzen und der eule. Die
Liebesgeschichte als Fabel erzählt. Es handelt sich um die
bisher erste Fabel aus der Feder von Maike Zazie.
Text: Nabil Atassi
All songs written and performed by Maike Zazie Matern
Recorded at Maike Zazie’s home studio in Berlin Kreuzberg.
Cover artwork by Maike
Zazie Matern
Layout by Paolo Proserpio & Jacopo Frigerio
Press
shots by Dani Rodriguez
Special
thanks to Maja & Frida. Miaow miaow.
Catalogue number: 7K006CD
"[...] Matern shows such
great sensitivity in shaping her music by working by
subtraction and at the same time amplifying compositional
structures whose slow gait gives back the discrete force
of a suspended fragility, full of pathos."
Music won't safe you [musicwontsaveyou.com]
by Raffaello Russo
Thursday, January seventh 2016.
"[...] The result of this new route is a warmer narrative,
with a cinematic flavor and dreamlike features that finds
its romantic tone in the more structured lines of the
piano and in the emphasis of Matern's voice its pathos.
Maike Zazie has once again displaced us, but still manages
to enchant us with the delicacy and fragility of her
music.
SoWhat [sowhatmusica.wordpress.com]
by Pepe Trotta
Monday, December twenty-eight 2015.
"Fragmente succeeds when it pushes beyond the
cliches of spoken words against stark piano accompaniment.
It’s one thing to merely develop a musical background
behind a straight reading of a poem; it’s something far
more beautiful to find how the two can exploit each
other’s inherent musicality."
popMatters [popmatters.com]
by Andy Jurik
Wednesday, July twenty-fifth 2018.
"Maike Zazie is a composer influenced by her passion for
both music and literature, performing unconventional piano
compositions. She operates at the crossroads of these two
art forms, her medium being a type of sonic literature in
both form and content: she composes pieces of music as she
puts stories down on paper; she chooses notes as carefully
as she chooses words."
"With the album Fragmente Maike Zazie Matern
created a kind of acoustic literature: composed sound and
spoken words are brought into one. Music and language, the
two passions of the Berlin-based pianist, composer and
graduate of German literature, find a way together. The
compositions are lyrically transfigured, fragile and soft
harmonic pieces. Each song seems to tell a little story,
hold on to a memory or follow a train of thought."
Soulgurusounds [soulgurusounds.com]
by Uwe Reuß
Monday, July ninth 2018.